Resolution zum Frauen*streik 2019

Nach den grossen internationalen Mobilisierungen von Frauen* (Polen, Argentinien, Italien, USA, etc.) findet die Idee zunehmend Anklang, in der Schweiz auf den 14. Juni 2019 einen Frauen*streik (oder feministischen Streik) zu organisieren.

In der Westschweiz wurde ein «feministisches Jahr» ausgerufen, das am 14. Juni 2019 mit dem Frauen*streik endet, der sowohl die bezahlte Arbeit als auch die unbezahlte soziale Reproduktionsarbeit betrifft. Diese Themen haben wir bereits auf unserer Nationalen Konferenz am 20. Mai 2017 behandelt.

An der Nationalen Konferenz der MPS/BFS im September 2018 war der Feminismus eines der vier Diskussionsthemen, um unsere Analysen und Überlegungen zu vertiefen.

Ein erstes Mobilisierungsmoment für den Frauen*streik war die vom SGB und rund dreissig Frauenverbänden ausgerufene nationale Demonstration unter dem Motto: «für gleichen Lohn, gegen Diskriminierung» am Samstag, 22. September in Bern.

Die Gruppen der BFS/MPS engagieren sich ab sofort in der Kampagne für diesen Frauen*streik. Dieses Engagement nimmt die folgenden Formen an: 

  1. Teilnahme an den Frauen*streikkomitees, welche alle interessierten Frauen* zusammenbringen (Gewerkschafter*innen, Feminist*innen, nicht organisierte Frauen*), um den Streik am 14. Juni 2019 bekannt zu machen und vorzubereiten. 
  2. Veröffentlichung von Artikeln zu feministischen Themen. 
  3. Intervention bei Jugendlichen an Ausbildungsorten zur Vorbereitung auf den Frauen*streik am 14. Juni 2019 .
  4. Durch Aktivist*innen zusammengetragene und veröffentlichte Sammlung von Erfahrungsberichten, Interviews, Schilderungen, etc. von arbeitenden Frauen* (Lohn- und Hausarbeit); um konkret die Intersektionalität der Unterdrückung durch Klasse, Geschlecht und Rasse zu veranschaulichen. 
  5. Organisation eines Workshops zum Thema Frauen*streik am Anderen Davos 2019.
  6. Nationales Diskussionstreffen zum Thema Feminismus im Februar 2019.
  7. Organisation einer Veranstaltungstour mit einer Isländerin zur Präsentation der dort geführten Kampagne, welche zur Einführung eines verbindlichen Gesetzes über die Lohngleichheit geführt hat. 

Feministisches Argumentarium der BFS/MPS

Die Forderung nach gleichem Lohn ist wichtig und weit verbreitet, da die Löhne der Frauen* sehr niedrig sind. Aber diese Forderung bleibt insofern relativ formell, als Frauen* und Männer* nicht die gleiche Arbeit verrichten, nicht die gleiche Anzahl von Stunden pro Woche arbeiten, nicht die gleichen sozialen Reproduktionsaufgaben übernehmen und nicht der gleichen Diskriminierung ausgesetzt sind. Daher ist es wichtig, feministische Forderungen zu formulieren, die den sozialen Bedürfnissen entsprechen (sowohl in der Erwerbsarbeit als auch in der sozialen Reproduktionsarbeit).

Unser Feminismus berücksichtigt die sozialen Bedürfnisse ausgebeuteter und unterdrückter Frauen*. Wir wollen Argumente und Massnahmen entwickeln, die eine feministische Strömung um die Forderung nach Gleichheit für alle, einschliesslich der am stärksten diskriminierten Frauen*, aufbauen. Wir lassen uns nicht von Verbesserungen täuschen, die nur Frauen* betreffen, die in der Gesellschaft bereits gut positioniert sind. 

Die folgenden fünf Achsen ermöglichen es, Forderungen zu formulieren, die gleichzeitig feministisch, antirassistisch, antikapitalistisch und sozialistisch sind. Unser Ziel ist es die Mechanismen aufzuzeigen, die der Unterdrückung, Ausbeutung und Beherrschung von Frauen* in der kapitalistischen Gesellschaft zugrunde liegen, um Forderungen voranzutreiben, welche Ausgangspunkt für Mobilisierungen sein können.

1. Sozialisierung der sozialen Reproduktion/Care-Arbeit

Der Grossteil der sozialen Reproduktionsarbeit, die oft als «Carearbeit» bezeichnet wird, wird von Frauen* geleistet, entweder in bezahlter oder freier Form. Die «freie» Arbeit der sozialen Reproduktion ist für das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft ebenso unverzichtbar wie die Ausbeutung der ebenfalls als «frei» geltenden natürlichen Ressourcen. Wir verurteilen die Tatsache, dass die Emanzipation bestimmter Frauen* dadurch erreicht wird, dass soziale Reproduktionsarbeit an Migrantinnen delegiert wird. Wir sind gegen jede Lösung, die zur Kommerzialisierung von Betreuungsaufgaben führt, weil dies eine verstärkte Ausbeutung von Frauen*, insbesondere von Migrantinnen, bedeutet. Entgegen der Logik des «all to market» fordern wir die Sozialisierung der sozialen Reproduktionsarbeit, d.h. die Organisation ihrer Pflege und Finanzierung durch die Gesellschaft, unter der Kontrolle der Nutzer*innen.

2. Gegen die Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung

Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung produziert und reproduziert Geschlechtszuordnungen: Kinder werden von Geburt an als «Mädchen» oder «Junge» bezeichnet. Dieser Prozess setzt sich in der Bildung, in der Schule, dann bei der Wahl der Berufsausbildung und schliesslich beim Zugang zur Beschäftigung fort. Das Spektrum der Berufe ist für Männer* viel grösser als für Frauen*. Frauenarbeitsplätze sind weniger bezahlt, meist Teilzeitarbeitsplätze und oft prekär. Frauen* haben eine höhere Arbeitslosenquote als Männer* und bilden die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger*innen.

Wir fordern eine drastische Arbeitszeitverkürzung und einen Mindestlohn, der es den Menschen ermöglicht, gegen die Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu kämpfen. Wir verurteilen die Illusionen des Kampfes gegen die «gläserne Decke», welche die Förderung bestimmter Frauen* begünstigt, aber weder die geschlechtsspezifische noch die soziale Arbeitsteilung angreift.

3. Für das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen

Soziale Geschlechterverhältnisse manifestieren sich darin, dass sich Männer* generell legitimiert fühlen, Frauen* zu dominieren und zu kontrollieren. Dies äussert sich in Sexismus, Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen*, Belästigung, Kontrolle über den Körper von Frauen*, über ihre Kleidung usw. Wir verteidigen das Recht auf Abtreibung und seine Finanzierung durch die Krankenversicherung. Wir fordern kostenlose Verhütung. Wir verurteilen die Straflosigkeit von Tätern sexualisierter Gewalt und ermutigen Frauen*, sich gemeinsam zu organisieren, um Selbstvertrauen zu gewinnen und sich zu verteidigen. 

4. Gegen die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung

Wir anerkennen, dass es viele Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen gibt. Daher lehnen wir die Binarität von Mann und Frau ab und anerkennen die soziale Konstruktion von Geschlecht. Wir verurteilen die Diskriminierung von LGBTIQ*-Menschen, sei es am Arbeitsplatz, in der Familie, im Gesetz oder auf der Strasse. Wir sehen die Heteronormativität als Unterdrückungsverhältnis und solidarisieren uns mit LGBTIQ*-Kämpfen.

5. Gegen Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Rassismus

Ein grosser Teil der Beschäftigten in der Schweiz sind Immigrant*innen. Besondere Aufmerksamkeit muss den rassistischen sozialen Beziehungen geschenkt werden, in denen sie gefangen sind und die oft die sozialen Beziehungen der Klassen verdecken. Wir lehnen es ab, dass Mitarbeiter*innen aufgrund ihrer Herkunft oder Nationalität konkurrieren müssen. Diese Spaltungen zielen darauf ab, gemeinsame Kämpfe zur Selbstverteidigung und zur Eroberung neuer Rechte zu verhindern. Wir fordern, dass Verbrechen im Zusammenhang mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts als Asylgrund anerkannt werden. Wir fordern sichere Fluchtrouten. Gerade Frauen* sind auf der Flucht besonders gefährdet und häufig sexualisierter Gewalt ausgesetzt.

BFS/MPS 2018 

Weiterführende Überlegungen zum Thema Feminismus finden sich hier.